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Employer Branding & Unternehmensmarke: Wie HR zur strategischen Markenführung beiträgt

Wie HR und Branding zusammengehören – ein Interview mit Gunter Dobratz von der Agentur ruby.

Im Wettbewerb um Fachkräfte spielt die Arbeitgebermarke eine entscheidende Rolle. Doch wie unterscheidet sich die Employer Brand von der Unternehmensmarke, und warum sollte sich HR stärker mit Branding beschäftigen?

Darüber spricht Ramona Zbik von Refline mit Gunter Dobratz, Partner & Senior Consultant bei ruby. Er erklärt, warum Authentizität der Schlüssel zum erfolgreichen Employer Branding ist, welche typischen Fehler Unternehmen vermeiden sollten und welche Parallelen es zwischen HR, Marketing und Vertrieb gibt. Außerdem gibt er konkrete Tipps, wie Unternehmen ihre Employer Brand strategisch entwickeln und messbar machen können.

 

Was ist für dich der Unterschied zwischen einer Unternehmensmarke (nachfolgend: Brand) und der Employer Brand?

Grundsätzlich sind Unternehmensmarke und Employer Brand eine Einheit. Sie sind Ausprägungen einer gemeinsamen DNA über das gesamte Unternehmen hinweg. Man kann sich die Marke auch als eine Person vorstellen. Ihre Persönlichkeit bleibt immer gleich, aber sie passt ihr Verhalten verschiedenen Situationen an. So wie wir mit Familie, Freunden oder Kunden jeweils anders umgehen, aber immer wir selbst bleiben. Die Arbeitgebermarke richtet sich an Mitarbeitende und potenzielle Mitarbeitende und kommuniziert für diese Anspruchsgruppen relevante Inhalte. Das aber immer passend zur Persönlichkeit des Unternehmens.


"Man kann sich die Marke auch als eine Person vorstellen. Die Persönlichkeit bleibt immer gleich, aber sie passt ihr Verhalten verschiedenen Situationen an"


 

Weshalb sollte sich deiner Meinung nach HR stärker mit dem Thema Branding beschäftigen?

Lange Zeit hatten HR-Abteilungen die Wahl unter den besten Kandidatinnen und Kandidaten. Seit einiger Zeit haben wir aber einen Arbeitnehmermarkt, in dem qualifizierte Fachkräfte ihren Arbeitgeber auswählen können. Für Unternehmen stellt sich damit die Frage, wie sie die Wahl dieser Fachkräfte beeinflussen können. Eine starke Marke hilft, aus der Menge der potenziellen Arbeitgeber herauszustechen. Dabei ist es wichtig, die authentische Persönlichkeit des Unternehmens zu zeigen. Das ist für viele Unternehmen in der Praxis jedoch schwierig. 

 

Welche Schwierigkeiten siehst du hier?

Es braucht methodisches Know-how aus der strategischen Markenpositionierung. Allzu oft halten Unternehmen allgemeine Standards oder Wunschdenken für eine differenzierende Positionierung. Der berühmt-berüchtigte Früchtekorb ist ein gutes Beispiel für einen Standard: Er führt zu keiner eigenständigen Sichtbarkeit und Attraktivität am Markt, da sehr viele Unternehmen damit werben. Auch Wunschdenken hilft nicht weiter: Wenn sich ein Unternehmen als jung und hip darstellt, aber in Wirklichkeit eher konservativ ist, werden die Fachkräfte nicht lange bleiben. Sie werden sehr schnell von der Realität enttäuscht sein.

Für die strategische Markenpositionierung muss die Brand DNA herausgearbeitet werden. Dafür gibt es Modelle und Methoden. Mit dem daraus entwickelten Employer Brand kann das HR viel effektiver und effizienter auf neue Fachkräfte zugehen und ein starkes Umfeld für die bestehende Belegschaft schaffen.

 


"Wenn sich ein Unternehmen als jung und hip darstellt, aber in Wirklichkeit eher konservativ ist, werden die Fachkräfte nicht lange bleiben."


 

Inwiefern müssen Brand und Employer Brand konsistent sein?

Eine gut herausgearbeitete Marke ist authentisch und beschreibt die Persönlichkeit eines Unternehmens. Eine gute Arbeitgebermarke ist deshalb konsistent mit dem Brand und ergänzt lediglich die Perspektive als Arbeitgeber. Dazu gehören zum Beispiel das Arbeitsklima oder das Selbstverständnis der Belegschaft im Unternehmen.

Ist die Arbeitgebermarke nicht mit der Unternehmensmarke konsistent, werden unterschiedliche, im schlimmsten Fall sich widersprechende Botschaften gesendet. Das führt dazu, dass das Vertrauen von Kundinnen und Kunden, Mitarbeitenden und Fachkräften in das Unternehmen schwindet und die Marke erodiert.

Welche Risiken entstehen dadurch?

Es kann so weit kommen, dass das gesamte Geschäft des Unternehmens dadurch gefährdet wird. Um das zu verhindern, ist es wichtig, die Brand-Verantwortlichen rechtzeitig in den Employer-Branding-Prozess einzubeziehen. Die Marke mit ihren Botschaften bleibt so über das ganze Unternehmen konsistent und schafft Mehrwert. Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Marke als Bild in den Köpfen entsteht. Markenführung möchte erreichen, dass dieses Bild möglichst einheitlich und eigenständig ist.
 


"Marke entsteht als Bild in den Köpfen - dieses Bild soll möglichst einheitlich und eigenständig sein."



Warum ist dies für HR relevant?

Unternehmen möchten Mitarbeitende, die sich mit der Marke identifizieren und stolz sind, dort zu arbeiten. Sie sollen sich unter dem Dach der Marke als Gemeinschaft fühlen. Mitarbeitende tragen zudem die Marke nach aussen und sind damit wichtige Markenbotschafter. Das tun sie übrigens so oder so: Eine schlechte Unternehmenskultur oder eine Arbeitgebermarke, die nicht zum Markenimage passt, sorgen entsprechend für Irritation. Eine starke Arbeitgebermarke schafft zudem Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt. Talente fühlen sich davon angezogen und können leichter rekrutiert werden.

Inwiefern siehst du Parallelen zwischen Marketing und HR?

Beim Marketing ist allen klar, dass Kunden aus einer breiten Palette von Produkten auswählen können und man sie deshalb von den Vorteilen der Marke überzeugen muss. Das war aber nicht immer so, die Macht der Kunden ist seit der industriellen Revolution immer weiter gewachsen, weil ihre Auswahlmöglichkeiten immer grösser wurden – in einer digitalen, globalisierten Wirtschaft sind sie fast endlos. Das HR macht diesen Paradigmenwechsel aktuell durch, unter anderem aufgrund der demografischen Entwicklung.

Im HR stellen sich jetzt klassische Marketingfragen: Welche Personen sprechen wir auf welchem Kanal mit welchen Botschaften an? Themen wie Personas oder User Journeys gewinnen an Relevanz. Auch viele KPIs sind vergleichbar: Das Marketing fragt nach der Kundenzufriedenheit, das HR nach der Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Und beide wollen eine möglichst hohe Zahl erreichen, um Wechselkosten tief zu halten. 

Wichtig ist noch zu sagen, dass Brand und Marketing nicht das Gleiche sind. Das ist eines der grössten Missverständnisse. Die Marke ist die gelebte Identität eines Unternehmens: Sie zeigt die Persönlichkeit von innen nach aussen. Marketing hingegen ist die Ausrichtung eines Unternehmens an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden: Es ist also vereinfacht gesagt eine Sicht von aussen nach innen. Natürlich müssen Brand und Marketing zusammenspielen, aber sie sind nicht deckungsgleich. 

 


"Die Marke ist die gelebte Identität eines Unternehmens: Sie zeigt die Persönlichkeit von innen nach aussen"


 

Zu welchen anderen Bereichen siehst du Parallelen?

Es ist auch spannend, die Parallelen zwischen Sales und Recruiting anzuschauen. Auf der Suche nach Fachkräften werden vom Recruiting erprobte Methoden und Prozesse aus dem Vertrieb übernommen. Auch die Persönlichkeiten im Recruiting unterscheiden sich von den klassischen HR-Profilen und sind eher vertriebsorientiert. So wie für den Vertrieb die Marke eine wichtige Basis für einen guten Umsatz ist, so ist für das Recruiting eine starke Arbeitgebermarke die Basis, um erfolgreich Fachkräfte zu rekrutieren. 

 


"Es gibt klare Parallelen zwischen Sales und Recruiting: Auf der Suche nach Fachkräften werden vom Recruiting erprobte Methoden und Prozesse aus dem Vertrieb übernommen."


 

Welche ersten Schritte empfiehlst Du Unternehmen, die ihre Employer Brand aufbauen oder überarbeiten wollen?

Die erste Frage, die man sich stellen sollte: Was ist unsere Unternehmensmarke? Ist sie gut herausgearbeitet, also charakterisierend, relevant und differenzierend? Das ist wichtig, weil sich die Arbeitgebermarke daraus ableitet. Ist der Brand des Unternehmens noch nicht klar herausgearbeitet, ist das eine Chance, dies zusammen mit dem Employer Brand zu machen. Der nächste Schritt ist der Aufbau einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von HR und Brand oder Marketing. Das stellt sicher, dass alle notwendigen Kompetenzen zusammenkommen. Das Management sollte dabei mindestens als Sponsor eingebunden sein, um dem Vorhaben die notwendige Durchsetzungskraft zu verleihen. 

Wie sieht die Umsetzung konkret aus?

Ein guter Start ist, eine Umfrage unter Mitarbeitenden und Bewerbenden durchzuführen. Noch besser geeignet sind qualitative Interviews, da diese meist mehr zu Tage fördern als grosse Umfragen mit standardisierten Antwortmöglichkeiten. So findet man heraus, was das Unternehmen für die Mitarbeitenden ausmacht. Welche Werte werden von den Mitarbeitenden im Unternehmen gelebt und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es? Wie kommt das Unternehmen bei Bewerbenden an? Danach geht es darum, die DNA des Unternehmens im Hinblick auf die Arbeitgebermarke zu beschreiben. Die Ergebnisse sollten dabei nicht grundsätzlich von der Unternehmensmarke abweichen, sondern die Sicht als Arbeitgeber ergänzen. Ist das der Fall, ist die Grundlage für ein erfolgreiches Employer Branding gelegt.

Was sind deiner Erfahrung nach typische Fehler beim Aufbau einer Employer Brand, und wie können diese vermieden werden?

Ein typischer Fehler ist es, den Employer Brand losgelöst vom Brand aufzubauen. Dabei spielt oft das fehlende Wissen, was ein Brand überhaupt ist, eine grosse Rolle. Unternehmen sollten ihre HR-Mitarbeitenden zum Thema Brand schulen. Denn das Thema wird immer mehr Bedeutung für die Arbeit im HR bekommen.  

Wie können Unternehmen ihre Werte und Kultur authentisch in ihrer Employer Brand zeigen?

Zuerst kommt der schwierige Teil: Das Unternehmen muss seine eigene DNA kennen. Man muss sich von Wunschbildern lösen und das echte Leben mit all seinen imperfekten Facetten akzeptieren. Das Gute daran: Das ist meistens sehr differenzierend, denn jedes Unternehmen ist anders. Mitarbeitende auf allen Hierarchiestufen können als Markenbotschafter eingesetzt werden. Dabei sollten sie ehrlich sagen dürfen, was sie über das Unternehmen denken. Ehrlich gesagt, tun sie das sowieso – jedes Mal, wenn sie über ihren Job mit Freunden und Bekannten reden.

 


"Das Unternehmen muss seine eigene DNA kennen. Man muss sich von Wunschbildern lösen und das echte Leben mit all seinen imperfekten Facetten akzeptieren."


 

Kann ein Employer Brand so gestaltet werden, dass sie für verschiedene Generationen – von Gen Z bis zu den Babyboomern – attraktiv ist? Und falls ja – wie geht das?

Ja, das ist problemlos möglich. Dafür sollten wir zuerst das Denken in Altersgruppen wie Gen Z vergessen. Ein altbekanntes Problem in der Ausrichtung auf Zielgruppen sind soziografische Zwillinge: King Charles und Ozzy Osbourne gehören zur gleichen Altersgruppe, sind bis auf ein paar Tage gleich alt, aber niemand würde ernsthaft behaupten, dass sie gleich ticken. Besser ist es, in Zielgruppensegmenten zu denken, die nicht über soziodemografische Merkmale definiert werden. Hilfreich sind z. B. Sinus-Milieus, ein Konzept aus der Soziologie, um Menschen anhand ihrer Werte, Haltungen und Lebensstile zu gruppieren. Da kann es passieren, dass Personen aus der Gen Z und den Babyboomern in derselben Gruppe sind, weil sie beide eher konservativ und traditionell geprägt sind. Zudem gibt es diverse Studien, die zeigen, was den verschiedenen Generationen und Gruppen wichtig ist. Überraschung: Die Unterschiede sind gar nicht so gross und manche Bedürfnisse werden der falschen Generation unterstellt. Homeoffice ist z. B. für die Generation Y wichtiger als für die Generation Z – logisch, sie zieht aktuell Kinder gross.

Wie misst man eigentlich, ob das Employer Branding funktioniert?

Das ist eine wichtige Frage, die in Zeiten von restriktiven Budgets viel Beachtung bekommt. Die Basis für eine Erfolgsmessung ist das Ziel: Was soll mit dem Employer Branding erreicht werden? Wenn das klar ist, lassen sich verschiedene Ergebnisse ableiten, die gemessen werden können. Abhängig von dem Ziel können zum Beispiel die Zufriedenheit der Mitarbeitenden, die Fluktuation, der Aufwand bei der Rekrutierung oder die Anzahl von guten Bewerbungen als Messgrösse dienen. Die vielen Möglichkeiten zu messen bieten aber auch die Gefahr für Missinterpretationen. Denn es gibt immer auch viele andere Einflussfaktoren, auf die das Employer Branding keinen Einfluss hat. Auch ist nicht immer das Budget vorhanden, um Studien zur Wirksamkeit durchführen zu können.
 

Wenn Du HR-Profis einen einzigen Rat zum Thema Employer Branding geben könntest, welcher wäre das?

Denk über den Tellerrand hinaus und überlege, was dein Unternehmen einzigartig macht und habe Mut zur Authentizität.

Wie siehst Du die Zukunft von Employer Branding, und welche Rolle wird HR dabei spielen?

Ich denke, wir werden zwei wesentliche Entwicklungen sehen. Auf der einen Seite die Integration des Employer Brandings in Brand- und Marketingabteilungen. Auf der anderen Seite werden sich einige Profile im HR ändern, um die Schnittstellenfunktion zwischen Brand, Marketing und HR sicherzustellen.


Über Ruby

ruby. ist eine Zürcher Agentur, die Unternehmen zur strategischen Markenpositionierung berät, einzigartige Brands entwickelt und passende Massnahmen umsetzt.

Über Gunter Dobratz

Gunter Dobratz, Partner & Senior Consultant bei ruby

Gunter versteht die DNA von Unternehmen und hilft dabei, eine attraktive Arbeitgeberpositionierung als Teil einer authentischen Marke zu schaffen. Er verfügt über einen Master in Betrieblicher Umweltinformatik und hat einen CAS in Brand Management sowie einen CAS in Culture & Employer Branding absolviert. Als Berater auf Augenhöhe über alle Alters- und Hierarchiestufen war und ist er für nationale und internationale Kunden tätig.